Die „Pille für den Mann“ ist leider noch immer nicht auf dem Markt. Daher ist das Thema Nachwuchsplanung weiterhin überwiegend „Frauensache“. Die Antibabypille ist aufgrund ihrer hohen Sicherheit nach wie vor das Mittel der Wahl. Doch die hormonelle Verhütungsmethode ist umstritten. Seit einigen Jahren stehen die möglichen Risiken und Nebenwirkungen stärker im Fokus als je zuvor.
Die Nachfrage nach der Antibabypille sank in kürzester Zeit um gut 15 Prozent, vor allem in der Altersgruppe der Frauen unter 20 Jahren.
Hormonelle Verhütungspillen kamen bereits 1961 auf den deutschen Markt. Ihre Entwicklung setzte sich stetig fort, so dass heute bereits von vier Generationen gesprochen wird. Dosis und Zusammensetzung der Hormone unterscheiden sich dabei. Vereinfacht ausgedrückt, verhindern alle Präparate den Eisprung. Doch welche Antibabypillen gibt es mittlerweile auf dem Markt und wie ist ihre Zusammensetzung?
Die ersten Antibabypillen enthielten relativ viel Östrogen und das Gestagen Norethisteron. Die moderne, vierte Pillengeneration ist auch unter dem Begriff Mikropille bekannt. Die Östrogen-Dosis ist um ein Vielfaches geringer. Als Gestagen kommen heute im Labor entwickelte Gestagene wie Gestoden oder Desogestrel zum Einsatz. Levonogestrel gehört noch der zweiten und dritten Generation an. Auch Drospirenon gilt als Gestagen der vierten Pillen-Generation, steht allerdings stark im Verdacht, ein Thrombose-Auslöser zu sein.
Die derzeitigen Verhütungspräparate auf dem Markt lassen sich in Ein-, Zwei- und Dreiphasen-Pillen einteilen. Die Hormondosis und -zusammensetzung variieren dabei innerhalb der Zyklusphasen.
Eine weitere Alternative ist die Minipille. Sie enthält nur noch ein Hormon, nämlich Gestagen.
Für den Notfall ist die „Pille danach“ vorgesehen. Rechtzeitig eingenommen, ist sie in der Lage, den Eisprung zu verschieben. Eine Befruchtung einer Eizelle lässt sich so verhindern. Auch hier stehen zwei hormonelle Wirkstoffe zur Wahl. Ulipristalacetat entfaltet selbst unmittelbar vor dem Eisprung noch Wirkung, Levonorgestrel dagegen nur in der ersten Zyklushälfte.
Hat eine Befruchtung bereits stattgefunden, ist die Einnahme dieser Pille zwecklos.
Die Antibabypillen gelten als überaus sicher. Der Pearl Index, der allgemein die Fruchtbarkeit von sexuell aktiven Frauen angibt, liegt zwischen 0,1 bis 0,9 Prozent. Das Risiko, ungewollt schwanger zu werden, ist damit praktisch ausgeschlossen.
Gesetzliche Krankenkassen übernehmen bis zum vollendeten 22. Lebensjahr die Kosten für die hormonelle Verhütung.
Mehr als 50 verschiedene Produkte mit jeweils unterschiedlichem „Hormon-Cocktail“ stehen zur Wahl: Jede Frau sollte daher ein Präparat bekommen, das sie gut verträgt und das ihr nicht schadet. Beispielsweise könnten Minipillen als Monopräparate auch während der Stillzeit eingenommen werden, da sie kein Östrogen enthalten.
Abhängig von der jeweiligen Hormon-Dosis hilft die Pille:
Fachärzte arbeiten im Bedarfsfall zusammen, um je nach Beschwerdebild das passende Präparat zu verordnen.
Von Anfang an gab es kritische Gegenstimmen zur Pille. Künstliche Hormongaben sind ein Eingriff in die natürlichen Zyklen des Körpers. Tatsächlich birgt die hormonelle Verhütung eine Reihe von Risiken. Sie als Teil eines modernen Lifestyles oder gar als Bedingung für Beziehungen zu feiern, wie dies im Netz oder in Medien zuweilen geschieht, ist bedenklich. Nutzen und Risiken müssen zusammen mit dem behandelnden Gynäkologen genau abgewogen werden.
Die Einnahme beginnt häufig schon im Teenager-Alter: Ein Grund mehr, achtsam und gründlich zu informieren.
Besonders der Wirkstoff Drospirenon steht im Ruf, schon bei sehr jungen Frauen Thrombosen und Lungenembolien auszulösen. Eine Möglichkeit, das Risiko zu verringern, besteht in der Durchführung eines speziellen Gentests. Bislang wird in der Arztpraxis lediglich nach Thrombose- oder Schlaganfall-Vorfällen in der Familie gefragt, nicht aber getestet. Ein Thromboserisiko-Screening dagegen kostet rund 150 Euro, der Gentest etwa 250 Euro. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten dafür nicht oder nur auf dringendes Anraten des Arztes. Dabei wäre das Ergebnis auch im Hinblick auf eine künftige Schwangerschaft von Bedeutung.
Mit dem Test ließe sich beispielsweise eine aPC-Resistenz, eine angeborene Gerinnungsstörung, feststellen oder ausschließen. Liegen bestimmte Risikofaktoren vor, sollten Frauen nicht auf hormonelle Verhütung, sondern unbedingt auf die Alternativen zurückgreifen.
Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BFArM) liegt das Alltagsrisiko, eine Thrombose zu erleiden, bei etwa zwei Frauen von 10.000 innerhalb eines Jahres. Bei Einnahme von Antibabypillen der ersten oder zweiten Generation mit hohen Östrogen- und Gestagen-Dosen betrifft das Risiko etwa 5 bis 7 von 10.000 Frauen, bei modernen Pillen steigt das Thromboserisiko auf etwa 9 bis 12 von 10.000 Frauen. Das BfArM empfiehlt daher die Auswahl möglichst risikoarmer Produkte oder einen Wechsel auf nicht-hormonelle Verhütung.
Neben der genetischen Disposition gelten Rauchen und Übergewicht als zusätzliche Risikofaktoren. Die Patientinnen müssen in jedem Fall gründlich aufgeklärt werden, um bewusst eine Entscheidung treffen zu können.
Auch wenn die Zahlen zunächst erschrecken: Eine Schwangerschaft erhöht das Thrombose-Risiko deutlich. Die Erfahrung zeigt, dass nach dem ersten Jahr der Pillen-Einnahme das statistische Risiko deutlich sinkt. Eine konstante Einnahme ohne längere Unterbrechungen und die Auswahl eines Monopräparates sorgen zusätzlich für Sicherheit, falls betroffene Frauen nicht auf hormonfreie Verhütung ausweichen möchten.
Viele Frauen beobachten, dass die Pille ihnen die Lust auf Sexualität nimmt. Mehrere große Studien überprüften dies – mit völlig unterschiedlichen Ergebnissen.
Ähnliches gilt für das Risiko von Depressionen. In der Altersgruppe zwischen 15 und 19 Jahren wurden deutlich mehr Antidepressiva verordnet, wenn die jungen Frauen die Pille einnahmen, als in der Vergleichsgruppe, die nicht oder auf andere Weise verhütete.
Bei einigen Probandinnen verstärkten sich bestehende depressive Tendenzen. Andere fühlten sich deutlich besser oder litten weniger am Prämenstruellen Syndrom. Eine aktuelle Langzeitstudie belegt allerdings, dass die Depressions-Neigung sich bis ins Erwachsenenalter verdreifacht, wenn Mädchen bereits sehr früh hormonell verhütet hatten.
Studien wurden auch zu Gehirnfunktionen wie Merkfähigkeit oder Angstreaktionen durchgeführt. Die Auswirkung der jeweils verabreichten Hormone auf die Psyche und die allgemeine Verfassung scheint sehr individuell zu sein. Erfahrungsberichte und Beobachtungen sind zahlreicher als repräsentative wissenschaftliche Erhebungen.
Beklagenswert spärlich ist die Studienlage auch zu Fruchtbarkeit und Zyklusveränderungen durch hormonelle Verhütung. Fallweise blieb die Menstruation nach Absetzen der Präparate über längere Zeit aus. Die Post-Pill-Amenorrhö scheint aber meist auf andere Faktoren zurückzugehen und sich schließlich wieder einzupendeln.
Der Nuva-Ring, der vielen Frauen als Alternative zur Pillen-Einnahme erscheint, zählt ebenfalls zu den hormonellen Verhütungsmitteln. Das Thrombose-Risiko ist in etwa gleich hoch zu dem der Pille.
Korrekte Anwendung vorausgesetzt, sind die folgenden Verhütungsmethoden recht verlässlich. Sie erfordern aber mehr Achtsamkeit und Aufwand als die Einnahme der Pille:
Die Antibabypille ist kein „Lifestyle-Produkt“ für sehr junge Frauen, sondern ein Medikament. Die Einnahme bietet zahlreiche Vorteile, aber auch eine Reihe von Risiken. Aufklärung ist wichtig. Ein Thromboserisiko-Screening etwa ist äußerst empfehlenswert.
Zahlreiche Präparate mit unterschiedlicher Zusammensetzung sind auf dem Markt. Daher dürfen Frauen darauf dringen, ein Verhütungsmittel zu erhalten, mit dem sie sich körperlich und psychisch wohl und sicher fühlen.
RND RedaktionsNetzwerk Deutschland – Hormonfreie Verhütung: Immer weniger junge Frauen nehmen die Antibabypille:
https://www.rnd.de/gesundheit/hormonfreie-verhuetung-antibabypille-wird-von-weniger-jungen-frauen-genommen-4HAXBIFNL5DDZPX66G2HR3E5SQ.html (online, letzter Abruf: 29.11.2022)
mdr Wissen – Antibabypille: Höheres Thrombose-Risiko bei neueren Präparaten: https://www.mdr.de/wissen/mensch-alltag/verhuetung-neue-antibabypille-erhoehen-thrombose-risiko-100.html (online, letzter Abruf: 29.11.2022)
mdr Wissen, Clemens Haug – Verhütung Pille in der Pubertät steigert Depressionsrisiko: https://www.mdr.de/wissen/pille-risiko-depression-100.html (online, letzter Abruf: 29.11.2022)
TK Die Techniker, Daniela Boeschen; Judith Günther; Dennis Chytrek; Goentje-Gesine Schoch; Gerd Glaeske; Dr Petra Thürmann – Pillenreport 2015: https://www.tk.de/resource/blob/2043476/e640ad05778a48b6e868a9bbce7922b7/studienband-pillenreport-2015-data.pdf (online, letzter Abruf: 29.11.2022)
Gesundheit.gv.at – Die Pille: https://www.gesundheit.gv.at/leben/sexualitaet/verhuetung/verhuetungsmittel/hormonelle-verhuetung/pille.html (online, letzter Abruf: 29.11.2022)
Spektrum Verlag, Stella Marie Hombach – Verhütung: Die Pille ist in Verruf geraten – zu Recht?: https://www.spektrum.de/news/verhuetung-die-pille-ist-in-verruf-geraten-zurecht/1988419 (online, letzter Abruf: 29.11.2022)
aktualisiert am 29.11.2022