Bei Frauen wird das Haar etwa ab dem 45. Lebensjahr insgesamt dünner. Pro Lebensjahr ist mit etwa einem Prozent weniger Haaren zu rechnen. Treten bei Frauen allerdings kahle Stellen oder ein deutlich sichtbares Ausdünnen des Haars (Diffuser Haarausfall) auf, ist der Leidensdruck groß: Männer mit Glatze sind ein allgemein akzeptierter Anblick. Für Frauen ist auffallender Haarverlust ein Schreckens-Szenario.
Entscheidend für das Haarwachstum sind die Zellen in den Haarwurzeln oder Follikeln. Jedes einzelne Follikel durchläuft immer wieder drei Phasen: Eine anagene oder Wachstumsphase, eine Übergangshase und eine telogene (Ruhe-) Phase. Bei gesunden Menschen verlaufen diese Phasen zeitversetzt: Ist ein Teil der Haarfollikel gerade inaktiv, werden in anderen zeitgleich neue Haare gebildet.
Geraten diese Zyklen ins Stocken oder stellen die Haarfollikel ihre Arbeit gänzlich ein, kommt es zu Haarverlust. Die Ursachen für solche Prozesse unterscheiden sich gravierend, entsprechend schwierig sind genaue Diagnosen und die Wahl der richtigen Therapie.
Bis zu 100 Haare täglich zu verlieren, ist daher kein Grund zur Sorge. Treten allerdings zu viele Haarfollikel gleichzeitig in ihre Ruhephase ein oder werden sie beschädigt, gehen zwangsläufig mehr Haare verloren, als nachwachsen. Bei einem Ausfall von mehr als 60 Prozent des natürlichen Haarwuchses bilden sich kahle oder schütter behaarte Regionen auf der Kopfhaut.
Aufschluss über Ursachen und Therapien gibt ein Endokrinologe: Diese Fachärzte sind Experten für den Hormonhaushalt und die Drüsen im Organismus, die Hormone (Botenstoffe) produzieren und in die Blutbahn abgeben.
Eine gründliche Anamnese (Erhebung des Gesundheitszustandes insgesamt), ein Zupftest (quantitatives Erfassen des Haarausfalls) sowie Blut- und eine Haarwurzelanalyse (Trichogramm) liefern die Ausgangsbasis für passende Therapien.
Akuter Haarausfall bei Frauen geht oft auf kürzlich beobachtete Ereignisse zurück, beispielsweise auf:
Nur selten zu beobachten ist Haarausfall als Folge von Vergiftungen, etwa durch Arsen oder Thallium.
Macht sich der Haarausfall über eine längere Zeit bemerkbar, sind möglicherweise Faktoren wie eine ererbte Neigung zu Haarverlust, chronische Erkrankungen wie Ekzeme oder Psoriasis oder weitere systemische, noch nicht diagnostizierte Erkrankungen im Spiel.
Diese Arten von Haarverlust lassen sich nach ihren Ursachen unterscheiden:
Androgenetische Alopezie, kurz AGA genannt, betrifft Männer wie Frauen. 95 Prozent aller Fälle von Haarverlust gehen auf diese genetisch bedingte Störung zurück. Während Männer häufig kahl werden, dünnt sich das Haar bei Frauen lediglich aus.
In beiden Fällen ist der Einfluss männlicher Hormone entscheidend. Betroffene Frauen bilden nicht etwa mehr „männliche“ Hormone, ihr Stoffwechsel reagiert nur äußerst sensibel darauf.
Das Schlüsselhormon ist DHT, Dihydrotestosteron, ein „Abfallprodukt“ des Testosterons. Unter dem Einfluss von DHT schrumpfen die Haarwurzeln und ihre Produktivität lässt nach. Zugleich bilden sich mehr Talgdrüsen, die die Haarfollikel zu verdrängen scheinen.
Betroffene Frauen entwickeln nicht nur dünneres Kopfhaar. Gesichts- und Körperbehaarung nehmen möglicherweise zu. Auch die Neigung zu entzündlicher Akne oder Depressionen scheint mit dem Anstieg von DHT im Blut in Zusammenhang zu stehen.
Bei Frauen lässt sich dies häufig mit dem Übergang zur Menopause beobachten. Auch Frauen, die am polizystischen Ovarialsyndrom (Funktionsstörung der Eierstöcke)
oder einer Hyperprolaktinämie (erhöhter Produktion von männlichen Geschlechtshormonen) leiden, sind davon betroffen.
Frauen, die bei sich einen unregelmäßigen Zyklus, Haarverlust, Zunahme der Gesichts- und Körperbehaarung oder starke Akne beobachten, sollten auf eine Erhebung ihres Hormonstatus dringen. Die Symptome können auf eine der oben genannten Erkrankungen hinweisen.
DHT erfüllt viele wichtige Funktionen und scheint sogar einige Erkrankungsrisiken zu senken. Doch bei androgenetischer Alopezie verordnet der Facharzt 5-Alpha-Reduktasehemmer. Diese unterbinden das Umwandeln von Testosteron zu DHT in den Zellen.
Normalerweise sollte sich daraufhin wieder ein gesundes Haarwachstum einstellen, vorausgesetzt, die Follikel-Stammzellen sind nicht beschädigt.
Bei der Alopecia Areata handelt es sich um das Entstehen kleiner, runder kahler Areale im Kopfhaar. Männer wie Frauen können in jedem Lebensalter betroffen sein. Ursache ist vermutlich eine Autoimmunreaktion, bei der die haarbildenden Zellen in den Haarfollikeln angegriffen werden.
Die Bildung der kahlen Stellen setzt meist abrupt ein, oft im Zusammenhang mit Entzündungsprozessen. Dies ist ein Hinweis auf eine Beteiligung von T-Lymphozyten, deren Zweck es ist, Krankheitserreger zu bekämpfen. In diesem Fall jedoch scheinen die Lymphozyten die haarbildenden Zellen in den Haarwurzeln zu attackieren.
Auch bei der Alopecia Areata spielt die Veranlagung eine Rolle: In einigen Familien tritt diese Form von Haarausfall häufiger auf, in anderen nie. Eine typische Form ist der Verlust pigmentierten Haares – ein Ergrauen des Haares schon in jungen Jahren ist die Folge.
Prognosen lassen sich kaum stellen, das Finden einer wirksamen Therapie kompliziert.
Dabei handelt es sich um einen kurzfristigen Haarverlust, weil vermehrt Haarfollikel in die telogene, die unproduktive Ruhephase, eintreten. Erste Anzeichen sind auffällig viele Haare in der Bürste oder in der Dusche. Das Haar wird deutlich spärlicher.
Diese Symptome lassen sich auf Stress-Situationen oder traumatische Geschehnisse zurückführen. Zuweilen liegen bereits überstandene oder verdeckt bestehende Erkrankungen zugrunde. Diverse Medikamente oder das Ende einer Schwangerschaft führen fallweise ebenso zu dieser Art Haarverlust.
Meist stellt sich nach einigen Wochen das Haarwachstum wieder ein.
Ein Beispiel dafür ist der Haarverlust während einer Chemotherapie. Diese ist aufgrund der eingesetzten Zellgifte stark belastend für die Patienten. Die Medikamente greifen alle schnell wachsenden Zellen an, wie sie für Tumoren kennzeichnend sind. Leider sind in diesen Fällen auch die haarbildenden Zellen in den Follikeln betroffen.
Telogenes Effluvium kann auch auf eine Schilddrüsenerkrankung oder eine bislang unentdeckte Androgenetische Alopezie hinweisen. In diesem Falle ist eine entsprechende Therapie notwendig.
Diese Art Haarausfall wird durch rein äußere Einflüsse ausgelöst, etwa durch strammes Flechten und Hochstecken, aber auch zwanghaftes Drehen und Ziehen am Haar. Allzu heiße Lockenstäbe, aggressive Chemikalien zum Färben der Haare und deren unsachgemäße Anwendung schädigen die Haarfollikel schlimmstenfalls dauerhaft.
Nicht immer lassen sich die Ursachen für Haarverlust genau diagnostizieren. In der Mehrzahl der Fälle stellt sich das körperliche und Stoffwechsel-Gleichgewicht von selbst wieder her, ganz ohne äußeres Zutun.
Sobald hormonelle Verhütungsmittel gegen besser verträgliche getauscht werden, Krankheiten verheilen oder unter Kontrolle gebracht werden, Therapien und Medikamente abgesetzt werden, die zu Haarausfall führten und Mangelzustände behoben sind, normalisiert sich das Haarwachstum ohne zusätzliche Therapiemaßnahmen.
Gelegentlich bleibt dem Facharzt keine Wahl, als per Versuch und Irrtum eine angemessene Therapie zu finden.
Enzym-Hemmer unterbinden den Einfluss von DHT auf die Haarwurzeln, wenn androgenetische Alopezie vorliegt. Äußerlich angewendetes Kortison oder Dithranol helfen bei Alopecia Areata (kreisrundem Haarausfall): Sie hemmen Entzündungsprozesse, in deren Verlauf die Haarfollikel von der körpereigenen Immunabwehr angegriffen werden.
Möglicherweise hilft eines der zahlreichen frei verkäuflichen Präparate wieder zu einem üppigen gesunden Haarwachstum. Bambus, Koffein oder Basilikum-Zusätze in Haarpflegemitteln beispielsweise gelten als förderlich für das Haarwachstum: Ihre Wirkung beruht darauf, dass die Kopfhaut besser durchblutet und die haarbildenden Zellen so besser mit Mikronährstoffen versorgt werden.
Nahrungsergänzung kann Mangelzustände ausgleichen, doch Vorsicht vor hohen Dosierungen, die besser mit dem Arzt abgesprochen werden sollten. Frauen, die neben dem Haarausfall auch an trockener oder unreiner Haut und brüchigen Fingernägeln leiden, sind mit einer verbesserten Vitalstoffzufuhr und Ernährungsumstellung gut beraten.
Bewährt haben sich
Diese drei Arten von Haarausfall lassen sich grundsätzlich unterscheiden:
Bei der androgenetischen Alopezie sowie bei akutem, diffusem Haarverlust sind die Prognosen sehr gut. Die Alopezia Areata kann ebenfalls unter Kontrolle gebracht werden. Da die Ursachen nur vermutet werden können, ist es schwer, eine dauerhafte und nachhaltige Therapie zu finden. Bei den meisten Fällen von diffusem Haarausfall wächst das Haar nach einiger Zeit wunschgemäß nach. Dies tritt ein, wenn der Organismus sich von Stress- oder Mangelsituationen erholt hat, oft spontan und ohne medizinisches Eingreifen.
Länger anhaltender Haarausfall ist möglicherweise ein Hinweis auf eine Erkrankung und sollte stets einem Facharzt vorgestellt werden.
Rosenfluh Publikationen AG, Ralph M. Trüeb – Haarausfall bei Frauen: Ursachen und Therapiemöglichkeiten: https://www.rosenfluh.ch/media/gynaekologie/2011/03/haarausfall.pdf (online, letzter Abruf: 20.09.2022)
NDR, Simone Kolberg; Dr. Sebastian Kahl – Haarausfall bei Frauen: Welche Behandlung hilft?: https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Haarausfall-bei-Frauen-Welche-Behandlung-hilft,haarausfall146.html (online, letzter Abruf: 20.09.2022)
Deutsches Endokrinologisches Versorgungszentrum – Haarausfall (Alopezie):
https://www.endokrinologen.de/haarausfall.php (online, letzter Abruf: 20.09.2022)
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https://www.aafp.org/pubs/afp/issues/2003/0301/p1007.html (online, letzter Abruf: 20.09.2022)
American Familiy Physician – Hair Loss in Women: https://www.aafp.org/pubs/afp/issues/2003/0301/p1017.html (online, letzter Abruf: 20.09.2022)
aktualisiert am 20.09.2022