Die Vorstellung von der anatomischen Lage und den Funktionen von Organen, Blutgefäßen und anderen Körpersystemen, auf der die traditionelle chinesische Medizin beruht, waren durch das Verbot von Sezieren und Obduzieren in China bis in das 20. Jahrhundert stark eingeschränkt. Dementsprechend sind das Verständnis der TCM für Gesundheit und Krankheit in der westlichen Welt schwer verständlich und eine Übertragung der Urform unmöglich.
Geprägt ist das Verständnis für Gesundheit und Krankheit von Begriffen wie Yin und Yang, Meridianen, Qi und Organe. Anders als in der westlichen Medizin umfassen jedoch einzelne Organe einen ganzen Funktionskreis, wie etwa die Lunge, die für die gesamte Atemfunktion steht. Diese Organe sind den gegensätzlichen Kräften Yin und Yang zugeordnet. Yang steht für die Sonnenseite und verkörpert Dynamik, das Aktive und Wärme. Ihm sind die sechs Extraorgane (Paläste) Dünndarm, Dickdarm, Magen, Harnblase, Knochen, Blutbahnen und Dreifacher Erwärmer zugeordnet. Yin hingegen präsentiert die Schattenseite mit Substanz, dem Passiven und Kälte und steht für die fünf Hohlorgane Lunge, Herz, Milz, Leber und Niere. Entsprechend der chinesischen Philosophie sind die Organe aber auch Jahreszeiten und Naturerscheinungen in den fünf Wandlungsphasen Wasser, Feuer, Holz, Metall und Erde zugeordnet.
Befinden sich Yin und Yang im Gleichgewicht ist dies ein Zeichen für Gesundheit. Die universelle Lebensenergie Qi kann ungehindert in den sogenannten Meridianen fließen. Hierbei handelt es sich um Leitbahnen, die den gesamten Körper miteinander verbinden. In der traditionellen chinesischen Medizin wird von 12 Hauptleitbahnen und 2 weiteren Bahnen ausgegangen. Durch sie fließt Qi, das bei der Geburt in den Körper strömt und durch die Atmung, aber auch durch Lebensmittel und Arzneien aufgenommen wird. Jedes Organ besitzt sein eigenes Qi und kann damit andere Organe beeinflussen. Bei einem gesunden Organismus fließt Qi in den Meridianen in eine Richtung. Krankheit führt zu einem Qi-Stau bis hin zu einer Änderung der Fließrichtung. Es kommt zu einer Leere oder zu einem Überfluss von Yin oder Yang.
Im Wesentlichen werden Krankheiten auf drei Ursachen zurückgeführt:
Bestimmte Symptome und Zustände werden somit als Kälte- oder Wärmekrankheit oder als Fülle (gestautes Qi) oder Leere (mangelndes Qi) bezeichnet. Die Behandlung dieser Zustände erfolgt mit Arzneimitteln, die nach Erfahrung gemischt werden und das Qi wieder zum Fließen bringen, Leere und Fülle ausgleichen und das Gleichgewicht im Körper herstellen sollen. Eine Behandlung der Krankheitsursache im westlichen Sinn spielt in der TCM keine Rolle.
Neben der Therapie mit Arzneimitteln werden zudem nach Bedarf Akupunktur, Moxibustion und Tuina-Massage angewendet. Auch eine Ernährung nach den fünf Elementen trägt zu der Gesundung bei. Hierbei wird eine Verbindung zwischen Körper und Elementen bzw. Jahreszeiten hergestellt. Sie bezieht zudem die spezifische Wirkung von Heilkräutern ein und wird durch Qigong und Taichi ergänzt.
Zwar erhebt die traditionelle chinesische Medizin keinen Anspruch, schwere Krankheiten wie Krebs oder Aids heilen zu können, dennoch soll sie diese günstig beeinflussen. Aus diesem Grund soll sie bei schweren Erkrankungen ergänzend und bei chronischen Krankheiten als einzige Behandlung eingesetzt werden. In der TCM gibt es keine Unterscheidung zwischen geistigen und körperlichen Krankheiten und somit auch keine unterschiedliche Behandlung der Symptome.
Das Konzept der traditionellen chinesischen Medizin beruht auf philosophischen Gedanken, nach denen der Mensch, sein Organismus, Krankheiten und deren Ursache ein Teil des Kosmos sind. Diese Vorstellungen widersprechen den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Eine universelle Lebenskraft wie das Qi und die Existenz von Meridianen, in denen sie fließt, sind nicht nachweisbar. Auch für die Vorstellung von Klimafaktoren wie Wind oder Kälte als Krankheitsauslöser gibt es keine Nachweise. Die vermutete Heilwirkung von Arzneimitteln aus Tierprodukten ist bisher noch nicht bestätigt.
Die Diagnostik der TCM beruht ebenso auf keiner wissenschaftlichen Grundlage. Zwar können charakteristische Veränderungen der Zunge auf Krankheiten (Kinderkrankheiten, Streptokokkeninfektion) oder Eisenmangel hinweisen, was in der konventionellen Medizin genutzt wird, doch die chinesische Zungendiagnostik betrachtet die Eigenschaften der Zunge und achtet auf andere Zeichen. Daraus zieht sie auch Schlüsse auf Krankheiten, die so nicht diagnostiziert werden können.
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.