Die Austreibungsphase ist der Zeitraum zwischen der vollständigen Öffnung des Muttermundes und der Geburt des Kindes. Sie kann zwischen einer Stunde bei Erstgebärenden und etwa 20 Minuten bei Mehrgebärenden dauern.
Durch die starken Wehen, die starke Dehnung des Muttermundes und des Dammbereichs kommt es oft zu starken Schmerzen. Diese können jedoch durch die aktive Mithilfe und das Pressen der Frau minimiert werden und zur erheblichen Erleichterung führen.
In dieser Phase richtet sich zunächst der Kopf des Kindes auf der Beckenbodenmuskulatur so aus, dass er gut in den Eingang des Geburtskanals passt.
Der Geburtskanal wird vom Becken der Mutter, der Gebärmutter, der Scheide und dem Beckenboden gebildet. Am Beckeneingang muss man sich den Geburtskanal als quer-oval, am Beckenausgang als längs-oval und am Ende mit einem „Knick" nach oben vorstellen. Anhand der Weite des Beckeneingangs kann man sehen, ob eine normale Geburt überhaupt möglich ist („gebärfahiges Becken").
Im Verlauf der Schwangerschaft lockern sich allerdings durch die Schwangerschaftshormone die Knochenverbindungen im Beckenring der Mutter, sodass dieser sich um einige Millimeter aufweitet, welches in den meisten Fällen für die normale Geburt entscheidend sein kann. Eine wirkungsvolle Erweiterung des Muttermundes kommt jedoch erst zustande, wenn der Druck durch die Wehen stärker ist, als der Gewebewiderstand des Muttermundes.
Das kindliche Köpfchen passt sich während der Geburt durch Dehnungen an den Geburtskanal an und erleichtert so den Durchtritt durch die Scheide. Durch die Wehen wird das kindliche Köpfchen immer weiter in das Becken vorgeschoben.
Liegt nun der Kopf des Kindes entsprechend tief im Geburtskanal, so drückt er auf den mütterlichen Damm, welches reflektorisch bei der Mutter einen Pressdrang auslöst. Der Pressdrang entsteht vor allem durch den Druck auf ein Nervengeflecht im Bereich des Steißbeins, den so genannten Plexus lumbosacralis. Erst jetzt soll und kann die Mutter durch Mitpressen die Geburt unterstützen. Der Pressdrang dauert meist nur wenige Sekunden und kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Die Presswehen treten ungefähr alle 2 bis 3 Minuten auf.
Ein zu frühes Pressen ist ungünstig, weil dadurch der noch nicht verstrichene Muttermund zusammengedrückt wird und so die Entstehung eines Muttermundödems begünstigt. Der unwillkürliche Pressdrang führt nämlich dazu, dass der Kopf des Kindes immer stärker auf den Muttermund drückt, das Blut staut sich und es kommt zu einer Schwellung.
Im Falle einer normalen Geburt gelingt es oft der Mutter, in ungefähr zehn Presswehen, dass Kind zu gebären. Gebärende verspüren oft beim Durchtreten des kindlichen Kopfes durch die Scheide eine sehr starke äußere Dehnung. Droht der Dammbereich (Bereich hinter der Scheide und vor dem Darmausgang) einzureißen, der so genannte Dammriss, so wird oft prophylaktisch ein Dammschnitt durchgeführt. Die Hebamme versucht jedoch zunächst durch leichten Gegendruck mit der Hand von außen den Druck des kindlichen Kopfes abzufangen und den Damm vor dem Einreißen zu schützen (Dammschutz).
Wichtig für diese Phase ist außerdem, die richtige Position für die Geburt zu finden. Viele Frauen entbinden in der klassischen Position, im Entbindungsbett (leicht erhöhter Oberkörper und stark angezogene Beine). Die ideale Position ist jedoch die, bei der man sich am wohlsten fühlt und den Druck am besten nach unten umsetzen kann. Erst wird das Hinterhaupt des Köpfchens, dann die Stirn und das ganze Gesicht geboren. Mit der nächsten Wehe und nach einer kurzen Verschnaufpause folgen die Schultern und der Körper des Kindes. Die Hebamme befreit das Gesicht des Kindes kurz vom Schleim, damit es richtig durchatmen und gucken kann. Anschließend wird das Kind abgenabelt und sofort auf den Bauch oder die Brust der Mutter gelegt.
Merke: Für Mutter und Kind ist die Austreibungsphase die anstrengendste Zeit der Geburt. Die Herztöne des Kindes werden in der gesamten Austreibungsphase überwacht. Befolgen Sie die konkreten, knappen Sätze bzw. Anweisungen der Hebamme. Sie hilft Ihnen in jeder Wehe.
Da das Kind vor allem auch auf den Darm drückt, kann es vorkommen, dass der Darminhalt entleert wird, ohne dass dies aufzuhalten ist.
Welche Hilfsmöglichkeiten gibt es in der Austreibungsphase?
Droht die Mutter zu erschöpfen (Geburtsstillstand), so versuchen Arzt und Hebamme zunächst die Kraft der Wehen mit ihren Händen oder mit einem um den Bauch der Mutter geschlungenen Tuch zu verstärken. Ist dies nicht ausreichend, so sind geburtshilfliche Imstrumente wie die Saugglocke (Vakuumextraktion) oder Geburtszange (Forcepsextraktion, Zangengeburt) erforderlich.
Die Saugglocke hilft die Geburt zu beenden. Der Geburtshelfer zieht synchron mit den Wehen mit kräftigem Druck an der Saugglocke. Die Saugglocke ist, wenn sie richtig angewandt wird, für Mutter und Kind risikoarm. Durch den Unterdruck entsteht jedoch häufig eine ungefährliche Beule am Hinterkopf des Kindes, welches auch als Geburtsgeschwulst bzw. Kephalhämatom bezeichnet wird. Diese Beule verschwindet innerhalb einer Woche wieder.
Bei der Saugglocke und Geburtszange wird also das Kind vorsichtig herausgezogen. Diese Methoden kommen auch dann zum Einsatz, wenn dem Kind Sauerstoff fehlt und das Kind im Geburtskanal stecken bleibt.
Weiterhin besteht die Möglichkeit eines Dammschnitts, wenn klar wird, dass der Damm die Geburt nicht aushält oder wenn der Herzschlag des Kindes sinkt und sich nur schlecht erholt. Ein Dammschnitt lässt sich gewöhnlich leichter nähen und heilt auch leichter als ein unkontrollierter Riss. Außerdem gelingt es nur beim Nähen eines Dammschnitts, die Wundränder exakt passend aneinander zu nähen und so optimale Heilungsbedingungen zu schaffen.
Laut den neusten Studien wird bei einer Geburt in aufrechter Position, z.B. auf dem Gebärhocker, der Dammbereich weniger belastet. Dadurch kommt es zu weniger Dammverletzungen bzw. einem notwendigen Dammschnitt.
Dass Dammgewebe kann bereist während der Schwangerschaft durch Ölmassagen auf die kommende Belastung vorbereitet werden.