Vaskulitiden sind entzündliche Erkrankungen der Blutgefäße, die sowohl Arterien, Arteriolen, Kapillaren, Venolen wie auch Venen befallen können. Bei der Klassifikation rheumatischer Erkrankungen gehören die Vaskulitiden in die Gruppe des Weichteilrheumatismus.
Man unterscheidet verschiedene Formen der Vaskulitis, die oft einen schweren Krankheitsverlauf aufweisen. Die Schwere der Erkrankung ist abhängig von der Ursache und der Größe der befallenen Gefäße. Dabei unterscheidet man zwischen:
Prinzipiell kann jedes Organ betroffen sein. Die Erkrankung kann, wenn sie nicht richtig erkannt und behandelt wird, zu schweren Organbeeinträchtigungen führen und sogar tödlich enden. In der Regel sind die Blutgefäße durch das sie umgebende Bindegewebe recht gut geschützt, so dass sie ohne Hilfsmittel meist nicht direkt betrachtet werden können. Heute können die Vaskulitiden durch verbesserte Untersuchungsmöglichkeiten viel häufiger und früher, in weniger bedrohlichen Stadien erkannt werden.
Die häufigste Form der Vaskulitis ist die Arteriitis temporalis. In Deutschland treten pro Jahr etwa 10.000 bis 20.000 neue Arteriitis temporalis Fälle auf. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die sekundären Vaskulitiden treten auch recht häufig auf. Alle anderen Formen der Erkrankung kommen in Deutschland eher selten vor.
Hierbei handelt es sich um eine Entzündung der mittleren bis großen Gefäße, die meist im Bereich der oberen Körperhälfte und vor allem im Bereich des Kopfes lokalisiert ist. Bei der Gewebeentnahme (Biopsie) zeigt sich teilweise das Bild einer Riesenzellarteriitis. Die Biopsie wird meist an der Schläfenarterie durchgeführt.
Die Erkrankung tritt oft mit der Polymyalgia rheumatica auf und ist eng mit ihr verwandt. Es treten vor allem folgende Symptome auf:
Die Betroffenen werden mit Kortison behandelt, wobei sich die Symptome schlagartig bessern. Die Therapie erfolgt zunächst hochdosiert, wird dann geringer dosiert und muss lebenslang eingenommen werden. Diese Form der Vaskulitis betrifft hauptsächlich ältere Menschen. Sie tritt meist nach dem 60. Lebensjahr auf.
Bei der Takayasu-Arteriitis sind die großen Gefäße entzündet, vor allem die Aorta und ihre Äste. Ein häufiges erstes Symptom ist die Pulslosigkeit eines Arms, da sich die entzündeten großen Gefäße verschließen. Es treten aber auch andere Allgemeinsymptome und auch Gelenkschmerzen auf. Die Erkrankung betrifft vor allem junge Frauen vor dem 40. Lebensjahr.
Bei dieser Form der Vaskulitis liegt eine Entzündung der kleinen und mittelgroßen Gefäße vor. Es handelt sich um eine besonders schwere Form der Erkrankung, die eine lang anhaltende Behandlung mit Medikamenten erfordert. Bei einigen Patienten lässt sich gleichzeitig eine Hepatitis nachweisen. In diesen Fällen helfen antivirale Medikamente und führen zu einer wesentlichen Besserung.
Wichtige Symptome dieser Vaskulitis sind:
Bei der Wegenerschen Graulomatose besteht eine grobknotige (granulomatöse) Entzündung der kleinen bis mittelgroßen Gefäße. Die Erkrankung beginnt meist in den Atemwegen und befällt später auch andere Organe. Um diese schwere Form der Vaskulitis ausreichend behandeln zu können, sind fast immer starke, das Immunsystem unterdrückende Medikamente (Immunsuppressiva) notwendig.
Hier besteht eine grobknotige (granulomatöse) Entzündung der kleinen bis mittelgroßen Gefäße. Auch hier können die Atemwege befallen sein. Typischerweise kann man bei dieser Form der Vaskulitis, bei den Betroffenen ein Asthma bronchiale sowie bestimmte weiße Blutkörperchen (eosinophile Granulozyten) feststellen. Häufig sind die Körpernerven und das Herz mit betroffen.
Bei dieser Form der Vaskulitis sind die kleinen bis mittelgroßen Gefäße betroffen. Die Erkrankung kommt vor allem im östlichen Mittelmeerraum und in Japan vor. Der Morbus Behcet kann sowohl gutartige als auch lebensgefährliche Verläufe mit Vaskulitiden des Herzens, der Lungengefäße oder des Zentralnervensystems (ZNS) annehmen.
Typische Symptome dieser Form der Vaskulitis sind:
Für den Morbus Behcet ist eine Vaskulitis der Venen ein recht typisches Symptom. Ansonsten kommen Vaskulitiden der Venen sehr selten vor.
Die genauen Auslöser für eine Vaskulitis, bei der es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, sind noch größtenteils unbekannt. Bei der Entstehung von Vaskulitiden spielt jedoch das menschliche Immunsystem eine wichtige Rolle. Bei einem Teil der Vaskulitiden richten sich Antikörper gegen die eigenen Strukturen des Körpers (Autoantikörper) und verursachen eine Entzündung der mittelgroßen Gefäße.
Zudem werden körpereigene Gefäßwandteile, fälschlicherweise vom eigenen Immunsystem, als fremd erkannt. In der Folge wird eine entzündliche Abwehrreaktion gestartet. Die Entzündung beschädigt die Gefäßwände so stark, dass eine Minderdurchblutung entsteht und die betroffenen Organe absterben können. Bei längerem Bestehen der Erkrankung kann dies zu einer massiven Funktionseinschränkung führen.
Je nachdem wie groß die betroffenen Gefäße sind und welche Form der Vaskulitis vorliegt, kann es zu folgenden Reaktionen kommen:
Vaskulitiden können auch im Rahmen anderer Krankheiten wie bei der Rheumatoiden Arthritis oder Sklerodermie auftreten. Man nennt sie dann als sekundäre Vaskulitis. Zudem können auch verschiedene Infektionskrankheiten oder auch Tumorleiden zu einer Vaskulitis führen. Auch Medikamente können eine Gefäßentzündung hervorrufen. In den meisten Fällen bleibt der Auslöser jedoch unbekannt.
Aufgrund der Vielfältigkeit der Krankheitsverläufe kommt es oft dazu, dass kein bestimmtes Krankheitsbild deutlich hervortritt. Häufig sind mehrere Organe betroffen. Meistens treten im Anfangsstadium Allgemeinsymptome auf, die auch bei jeder anderen Erkrankung auftreten können und daher auch keine eindeutige Diagnosestellung ermöglichen. Diese Allgemeinsymptome sind:
Im weiteren Verlauf der Erkrankung bilden sich die Leitsymptome aus. Es können unterschiedliche Organsymptome hinzukommen. Je nachdem welche Form der Vaskulitis vorliegt, können die Symptome verschieden ausgeprägt sein.
Bei einer Vaskulitis kommt es, wie bei jeder anderen Entzündung im Körper, zu einer Schwellung. Davon sind insbesondere die Gefäßwände betroffen, die im Extremfall zu einer Verlegung oder einem Verschluss des Blutgefäßes führen können. Dies führt zu einer Unterbrechung der Nahrungs- und Sauerstoffzufuhr der entsprechenden Organe und kann unter Umständen zum Infarkt führen. Die entzündeten Gefäße führen nicht nur zu einer Verengung, sondern können auch Aussackungen (Aneurysmen) bilden und platzen.
Bei der Diagnose einer Vaskulitis müssen die verschiedenen Symptome und Befunde der Untersuchungen zu einem klinischen Gesamtbild zusammengefügt werden. Daher ist eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Hausarzt und den Fachärzten erforderlich.
Die Erkrankung beginnt natürlich nicht plötzlich aus heiterem Himmel. Meist werden die ersten Symptome nicht genug beachtet oder übersehen. Die genaue Befragung des Patienten, auch nach scheinbar nebensächlichen Dingen und der körperlichen Untersuchung, kann bereits den vagen Verdacht auf eine Vaskulitis liefern. Besteht einmal der Verdacht auf eine Vaskulitis, so müssen unverzüglich weitere Untersuchungen folgen.
Zu den wichtigsten Untersuchungen zählen:
Bei der Blutuntersuchung findet man zunächst allgemeine Entzündungszeichen wie erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), erhöhte Entzündungseiweiße und Blutbildveränderungen. Da diese Werte jedoch auch bei vielen anderen Erkrankungen verändert sein können, erlauben sie allein nicht die Diagnose einer „Vaskulitis".
Daneben können charakteristische Blutwerte auf bestimmte Vaskulitiden hinweisen:
Durch eine Gewebeentnahme (Biopsie) der Haut, Nieren oder auch anderer Organe, können charakteristische feingewebliche Veränderungen nachgewiesen werden. Dies ermöglicht auch die Diagnose der verschiedenen Formen der Vaskulitis.
Bei der Angiographie werden die mittleren und großen Gefäße durch Röntgenkontrastmittel dargestellt. Hierdurch können typische Veränderungen wie Aussackungen (Aneurysmen) der Gefäße dargestellt werden.
Die Vaskulitis ist zwar oft nicht heilbar, aber in der Regel gut behandelbar. Heute überleben mindestens 90 Prozent der Patienten. Die Therapie einer Vaskulitis richtet sich nach dem Ausmaß und den Beschwerden der Erkrankung. Für die Behandlung stehen eine Vielzahl von Medikamenten zur Verfügung, die das Immunsystem unterdrücken.
Sie sind schnell wirksam und als Begleittherapie unersetzlich. Anfangs wird das Kortison in sehr hoher Dosis (über 100 mg am Tag) eingesetzt und bei Besserung der Symptome allmählich wieder reduziert oder sogar ganz abgesetzt. Leider ist das Kortison allein nur selten ausreichend, um die Vaskulitis wirkungsvoll zu bekämpfen. Daher werden oft noch andere Immunsuppressiva eingesetzt.
Bei schweren Formen der Vaskulitis muss ein Krebsmittel, das Cyclophosphamid (Endoxan®), eingesetzt werden. Sie ist ein stark wirksames Immunsuppressivum aus der Gruppe der Alkylantien. Heute behandelt man die Patienten in der Regel nicht länger als sechs Monate mit diesen Medikamenten, um schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden.
Auch hier gilt: „So kurz wie möglich, so lang wie nötig". Im Anschluss kann man dann auf sanftere Medikamente übergehen, um den erreichten Zustand der Besserung zu erhalten.
Beachte: Durch entsprechende Ernährung und Verhaltensweisen kann man viele Nebenwirkungen von Kortison und Endoxan® vorbeugen.
Auch nach erfolgreicher Behandlung der Vaskulitis sind weitere ärztliche Kontrollen notwendig, da bei mindestens 50 Prozent der Patienten mit einem Rückfall bzw. Wiederkehr der Krankheit (Rezidiv) gerechnet werden muss. Dies ist auch nach Jahren völliger Beschwerdefreiheit noch möglich. Als wichtiges Frühwarnsymptom für ein Rezidiv gilt das Wiederauftreten von rheumatischen Beschwerden. Je nachdem welche Form der Vaskulitis vorliegt, müssen auch andere Grundkrankheiten sinnvollerweise mit behandelt werden.
Die Prognose ist abhängig von der Form der Vaskulitis. Wie bei jeder anderen Erkrankung auch, ist die Prognose bei einer Vaskulitis, durch eine rechtzeitige und konsequente Behandlung beeinflussbar. Diese sollte jedoch an das Stadium und die Aktivität der Vaskulitis angepasst sein. Wird die Vaskulitis entsprechend therapiert, so kann die Erkrankung im Durchschnitt bei etwa 80 Prozent der Betroffenen, innerhalb eines Jahres zurückgehen. Diese Patienten können wieder ein völlig normales und beschwerdefreies Leben führen. Doch man sollte sich im Klaren sein, dass eine Vaskulitis auch noch nach Jahren erneut auftreten kann.
Einige Formen der Vaskulitis wie die Wegenersche Granulomatose, zählen zu den schwerwiegendsten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und haben eine teilweise sehr schlechte Prognose. In diesen Fällen ist eine optimale Betreuung in einem erfahrenen Zentrum besonders wichtig.
Leider gibt es keine verlässlichen Maßnahmen zur Vorbeugung einer Vaskulitis, da die Ursache der Erkrankung nicht eindeutig geklärt ist. Wichtig ist vor allem, einen möglichen Rückfall frühzeitig zu erkennen. Daher sollten Sie folgende Warnsymptome kennen:
Diese Symptome sind zwar sehr unspezifisch, man sollte sie dennoch ärztlich abklären lassen!
Letzte Aktualisierung am 05.10.2021.