Unter einem Harnstau versteht man eine Einengung der Harnleiter infolge des Drucks durch die Gebärmutter, mit Rückstau des Harns in die Nierenbecken. Es besteht also ein Missverhältnis zwischen Sekundärharnproduktion und Harnabfluss bis zur Harnblase. Verschiebt sich dieses Missverhältnis nun weiter zugunsten der Harnabflussbehinderung (Obstruktion), so entsteht eine Harnstauung. All diese Veränderungen sind jedoch reversibel. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass die Obstruktion in Dauer und Ausmaß eine gewisse Zeit nicht überschreiten sollte.
Bei der großen Mehrheit aller Schwangeren beobachtet man eine Erweiterung des Nierenbeckenkelchsystems (NBKS), sie wird jedoch nur bei wenigen klinisch manifest. Die Harnstauung in gravidate ist nach spätestens sechs Monaten voll reversibel, wenn die Schwangerschaft dabei die alleinige Ursache der Obstruktion ist.
Während der Schwangerschaft entwickelt sich häufig eine Harnstauung. Es kommt zu einer asymmetrischen Dilatation (Weitstellung) des mütterlichen Harntraktes.
Sie entwickelt sich bei fast allen Schwangeren und ist am häufigsten und ausgeprägtesten bei Erstschwangeren. Die ableitenden Harnwege stellen sich bereits zu Beginn des 2. Monats weit und nehmen mit dem Alter der Schwangerschaft immer mehr zu. Die Erweiterung ist häufig auf der rechten Seite stärker ausgeprägt als links.
Eine Harnstauung kann zu gravierenden Komplikationen führen. Diese sind vor allem:
Aus einer fast normalen Harnstauung in graviditate kann schnell ein akutes Krankheitsbild entstehen, welches interdisziplinärer Aufmerksamkeit bedarf. Mittel der Wahl ist primär eine konservative Therapie. Es werden jedoch immer wieder operative Strategien notwendig, um eine mögliche Frühgeburt und somit Schaden von der Schwangeren und dem Kind abzuwenden. Erstgebärende sind öfters betroffen.
Jede Schwangerschaft führt zu gravierenden Veränderungen im Körper, sowohl die Schwangere als auch das Kind beanspruchen den Stoffwechsel zunehmend.
Es kommt unter anderem zu einem erhöhten Flüssigkeitsbedarf, der auch eine vermehrte Urinproduktion zur Folge hat. Kommt es zu einem Missverhältnis zwischen Filtrationsdruck der Nieren und der „Harntransportkapazität", beginnt zunächst eine Harnabflussbehinderung. Dies führt wiederum zu einer schwangerschaftsbedingten Harnleitererweiterung. Der Ureter (Harnleiter) kann dabei auf das 25-fache seines Ausgangsvolumens expandieren, so dass der gesamte obere Harntrakt bis zu 300 ml fasst.
Die Gebärmutter drückt gerade im letzten Schwangerschaftsdrittel auf die von beiden Nieren in die Blase führenden Harnleiter. Drückt die Gebärmutter die Harnleiter so stark zusammen, so kann sich der Harn bis in die Nieren zurück stauen. Dies erfordert sofortige Hilfe.
Die Patientin bemerkt dies oft durch Schmerzen in der Flanke sowie Koliken oder Fieber. In solchen Fällen muss eine schnelle Entlastung des oberen Harntraktes erfolgen, da es sonst innerhalb kurzer Zeit (wenige Stunden bis einige Tage) zu einer Nierenbeckenentzündung mit Übergang in eine Urosepsis (Blutvergiftung) führen kann.
Mögliche Ursachen der Harnstauung während der Schwangerschaft können sein:
Oft spürt man eine langsam eintretende Harnstauung gar nicht. Dagegen führt eine akute Harnstauung zu folgenden Beschwerden:
Die Beschwerden verschwinden sofort, wenn der Harn wieder in die Blase ablaufen kann.
Sie sollten auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen, wenn krampfartige Schmerzen auftreten und die Urinmenge trotz normalen Trinkens abnimmt.
Zunächst erfolgt die Erhebung der Anamnese (Krankengeschichte). Hierbei geht der Arzt besonders auf den bisherigen Verlauf der Schwangerschaft ein und fahndet gezielt nach gynäkologischen, chirurgischen oder urologischen Vorerkrankungen oder Operationen.
Die Diagnose ergibt sich vor allem durch die typischen Beschwerden in Kombination mit einem Ultraschall. Zunächst erfolgt die körperliche Untersuchung des Nierenlagers, der Abdomen sowie der Lungen und Genitale. Der Arzt untersucht vorsichtig auf Druck- bzw. Klopfschmerzhaftigkeit.
Im Anschluss folgt die Sonographie (Ultraschall). Mit dem Ultraschall können die gestauten Nieren und Harnleiter dargestellt werden. Durch dieses bildgebende Untersuchungsverfahren, kann man auf die Anwendung ionisierender Strahlen (Röntgen, CT) bei der Diagnostik und Therapie der Harnstauung praktisch verzichten. Sie ist zwar mit 98 Prozent hoch-sensitiv, jedoch unspezifisch.
Insbesondere bei Schwangeren bietet die Ultraschalluntersuchung sehr viele Vorteile:
Weitere mögliche bildgebende Untersuchungsverfahren bei Harnstau sind:
Nach der Sonographie ist die Röntgenuntersuchung die zweitwichtigste Untersuchungstechnik zur Abklärung der Leitsymptome des oberen Harntraktes außerhalb der Schwangerschaft.
Aufgrund der ionisierenden Strahlung und des größeren apparativen Aufwandes ist diese Methode nicht Mittel der Wahl. Sie kommt nur zur Anwendung, wenn der Ultraschall keine eindeutige Klärung bringt und eine weiterführende Diagnostik erforderlich ist oder kein MRT verfügbar ist. Zudem kommt sie auch bei polytraumatisierten Schwangeren zum Einsatz, wenn diese untersucht werden müssen. Bei verunfallten Schwangeren ist das CT Mittel der Wahl.
Mit dem MRT-Gerät kann man auch eine ausreichende Differenzierung der Höhe und Art der Obstruktion erreichen. Obwohl es ein aufwendiges Verfahren ist, sind die Ergebnisse in der Schwangerschaft überzeugend.
Sie wird durchgeführt zur Differenzierung zwischen einer Obstruktion (Harnstau bzw. Einengung) oder Ektasie des Kelchystems ohne Obstruktion.
Alle aufgeführten Verfahren haben im Vergleich mit der Sonographie entscheidende Nachteile, die in der Routinediagnostik zum Tragen kommen.
Harnstau kann durch eine Reihe von verschiedenen Erkrankungen verursacht werden:
Mittel der ersten Wahl sind zunächst entkrampfende Medikamente. Sind diese nicht wirksam, so kann man bei weiter bestehenden Krämpfen auch eine Ureterschienung durchführen. Bewährt hat sich vor allem eine Linksseitenlagerung der Schwangeren, dadurch kann man die Rotation des Uterus zumindest teilweise kompensieren.
Bei diesem Eingriff ist der lumbale Zugang vom Flankenschnitt üblich. Die betreffende Niere wird freigelegt und der Harnabfluss wieder ermöglicht. Droht eine Urosepsis, so wird die gesamte Niere entfernt. Ein wichtiger Nachteil dieser Methode ist die Invasivität des Eingriffes. Der Eingriff muss in Narkose durchgeführt werden und hat dementsprechend auch Auswirkungen auf Mutter und Kind. Obwohl wir mittlerweile im Zeitalter der minimal-invasiven Techniken sind, kann jedoch auch heute im Einzelfall eine Schnittoperation erforderlich sein. Die Indikation sollte jedoch streng gestellt werden.
Mit Einführung dieser Methode wird im Rahmen einer Zytoskopie ein an beiden Enden „J"-förmig gekrümmter knapp 30 cm langer, 2 bis 3 mm starker hohler und perforierter Kunststoffschlauch, ein so genannter Doppel-J-Katheter (DJK) durch die Harnleitermündung im Harnleiterlumen platziert. Die gekrümmten Enden befinden sich dabei im Nierenbecken bzw. in der Harnblase. Erfahrungsgemäß wird der Katheter bis etwa 25 cm vorgeschoben und anschließend der Draht langsam aus dem DJK entfernt. Zum Schluss wird die korrekte Lage des DJK im Nierenbeckenkelchsystem und in der Harnblase mit Sonographie dokumentiert.
Der Katheter hält die Harnleiter auch gegen Druck offen. Dies ist besonders wichtig, bleibt nämlich der Harnstau über mehrere Tage bestehen, so können Bakterien über die Blase und die Harnleiter in die Niere aufsteigen und hier zu einer Nierenbeckenentzündung führen. In diesem Fall ist eine Antibiotikabehandlung notwendig.
Der Eingriff wird unter sterilen Bedingungen durchgeführt.
Die Prognose eines Harnstaus während der Schwangerschaft ist relativ gut, sofern eine frühzeitige Therapie eingeleitet wird.
Wenn Sie bereits an einer chronischen Nierenerkrankung leiden, so ist eine ständige Überwachung der Nierenfunktion und der ableitenden Harnwege während der Schwangerschaft erforderlich. Achten Sie deshalb besonders auf die Beschwerden und suchen Sie unverzüglich Ihren Hausarzt auf.
aktualisiert am 08.07.2021